Im Konferenzraum riecht es nach einer Mischung aus Parfüm, Pups und Mensa. An diesem Nachmittag im Februar füllt sich der Raum mit Studierenden, Praktikanten, Sekten-Mitgliedern und ein paar Leuten, die sich womöglich wirklich für das Thema der Konferenz interessieren. Der Raum ist so voll, dass sich Leute in den Türrahmen drängeln. Denn gleich spricht die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht (damals Teil von Die Linke) zum Krieg in der Ukraine. Umstrittene Politiker sind hier oft zu Gast, nur selten sind sie so bekannt wie Wagenknecht.
Hier, das ist das Institute for Cultural Diplomacy (ICD) in Berlin. Es ist eine Mischung aus Nichtregierungsorganisation, Konferenz-Agentur und Hochschule. Und: Es ist ein Treffpunkt für religiöse Fanatiker. Wer hinter die Kulissen des ICD schaut, merkt schnell: Das Institut erscheint als bloße Fassade. Dahinter spinnt ein Trio sein Netzwerk aus Kriminellen und Politikern. Dafür nutzt es junge Menschen aus und lässt sich von Studierenden viel Geld zahlen. Vor allem bietet es einen Raum für eine Sekte: Auf den Konferenzen können Sektenmitglieder werben und mit jungen Menschen über Frieden, Familie, Gott und wer weiß was noch reden. Dass die Sekte auf den ICD-Konferenzen für ihre Lehren werben darf, verneint das Institut. Doch die Kooperation bestätigt man aber: "Unserer Erfahrung nach war die Zusammenarbeit erfolgreich."
Zu Teil 2 dieser Recherche:
Wir haben uns die Verflechtungen und Firmen hinter diesem Institut angesehen. Und das sind viele. Das Knäuel aus Hotels, Immobilienfirmen und Vereinen zu entwirren, ist nicht ganz leicht. Die Chefs des ICD pflegten und pflegen Verbindungen in alle Richtungen: zu einer christlichen Sekte, einem Rüstungslobbyist und einem libanesischen Ex-Regierungsmitglied, gegen das wegen Mord ermittelt wird. Immer wieder haben wir uns gefragt: Wozu dient das seltsame Geflecht? Wer am Institute for Cultural Diplomacy ein Masterstudium macht, zahlt zwischen 9.000 und 12.000 Euro und liest dann Wikipedia-Artikel statt Fachzeitschriften – so berichten es ehemalige Studierende. Das ICD sagt, Wikipedia-Artikel oder YouTube-Videos würden nur in wenigen Fällen ergänzend genutzt.
Wer im Wohnheim des Instituts lebt, muss mit Dreck klarkommen, mit Wasser, das durch die Decke tropft und mit Waschbären, die sich durch den Müll wühlen. Eine Studentin hat die Tiere aus einer Küche im Wohnheim gefilmt. "Oh Gott, schau dir mal an, wie groß das Ding ist", sagt sie in dem Video, während ein Waschbär seine Schnauze in eine leere Dose steckt. "Wir glauben, dass die Situation jetzt besser ist", schreibt das Institut auf VICE-Anfrage.
Man kann das Institute for Cultural Diplomacy wohl kaum als Hochschule bezeichnen. Zumindest scheint das ICD nicht so zu agieren, als lege es Wert auf Bildung. Was dem ICD dennoch gelingt: Junge Menschen mit falschen Versprechen nach Berlin locken. Aktuell sind nach Angaben des Instituts 30 Studierende eingeschrieben. Viele starten ihr Studium mit der Hoffnung, am ICD Teil von etwas Großem, etwas Wichtigem werden zu können. Nah dran zu sein an den Mächtigen und Einflussreichen, die auf der Website des Instituts zu sehen sind.
Die Sekte mit den Zwangshochzeiten
Sahra Wagenknecht hat sich durch die dicke Luft und hinter das Rednerpult geschoben. Aus Rasterlampen fällt kaltes Licht von der Decke. Wagenknecht spricht eine Stunde lang. Sie erklärt, wie unverantwortlich sie es finde, dass deutsche Panzer auf Russen schießen. Niemand widerspricht ihr.
Am Vormittag dieses Konferenztags hat Ex-Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) einen Vortrag gehalten. Auch Hassan Diab ist als Redner da. Der Ex-Präsident des Libanons musste wegen der Explosion im Hafen von Beirut zurücktreten. Gegen ihn läuft ein Mordverfahren. Ein anderer Redner ist Francois Fillon: einst Premierminister in Frankreich, nun verurteilter Straftäter. Er hatte öffentliche Gelder veruntreut und seine eigene Frau zum Schein angestellt.
Ehemalige Studierende berichten, sie werden mitunter von Teilen der ICD-Führung gedrängt, an den Konferenzen teilzunehmen. Das ICD formuliert es so: "Wir empfehlen den Studierenden dringend, an den Konferenzen teilzunehmen, auch weil sie in den Lehrplan integriert sind."
VICE hat mit etwa einem Dutzend Menschen gesprochen, die an dem Institut waren. Sie beschreiben das ICD fast durchgehend als Schwindel, Zeitverschwendung, Ort des Schreckens. Aber weder sie noch die Politiker scheinen zu ahnen, was alles hinter der Fassade steckt.
Auf den Konferenzen sind Menschen unterwegs, auf deren Namensschildchen Universal Peace Federation (UPF) steht. Die Universal Peace Federation ist die Tarnorganisation der Moon-Sekte. Das ist eine ultrakonservative, neu-christliche Bewegung aus Südkorea. Viele kennen die Moon-Sekte wegen ihrer Massenhochzeiten.
Auf der Konferenz, auf der Wagenknecht spricht, mischen sich mindestens 13 führende UPF-Mitglieder aus ganz Europa unter die Gäste, futtern Häppchen, plaudern mit anderen Teilnehmenden.
Wir haben Wagenknecht, Steinbrück und Diab Fragen zu ihrer Verbindung mit dem ICD geschickt. Zum Beispiel wollten wir wissen, ob sie um die ICD-Kontakte zu Sekten wissen. Doch keiner von ihnen reagierte – trotz Nachfrage.
Die Verbindung in den deutschen Bundestag
Das Institut erweckt den Eindruck, ganz nah dran zu sein an internationaler Politik, am Weltgeschehen, an den Mächtigen. Es wirbt für seine Studiengänge und Praktika mit seinen vermeintlich guten Verbindungen in die Politik. Und tatsächlich sprachen auf den Konferenzen auch Mitglieder aller Fraktionen des Deutschen Bundestages: Thomas Silberhorn (CSU), Frank Müller-Rosentritt (FDP), Cem Özdemir (Grüne), Peter Bystron (AfD) sind nur einige Namen unter vielen. Diese Auftritte helfen dem ICD dabei, einen seriösen Schein zu wahren. Auf Anfrage von VICE sagen Silberhorn, Müller-Rosentritt, Özdemir und Bystron, dass sie von den Sekten-Verbindungen und dem Frust der Studierenden nichts wissen. Geld oder Geschenke haben sie nach eigener Aussage nicht bekommen.
Wie die Moon-Sekte rekrutiert
Vom Bundestag fährt man 45 Minuten nach Berlin-Reinickendorf, wo das ICD seinen Sitz hat. Dort steht das weiß-blaue Institutsgebäude, eingepfercht zwischen Kränen, Gleisen und Autohäusern. Von Kultur oder internationaler Politik sieht man nichts.
Auf dem Weg zum Konferenzsaal geht man an einem Tisch mit Flyern, Magazinen und Büchern vorbei, die alle für Frieden und Versöhnung werben. Universal Peace Federation (UPF) steht auf den Flyern. Die Moon-Sekte macht hier ganz offen Werbung. Im Namen des Friedens, versteht sich, das klingt schön harmlos. Tatsächlich ist ihr Gründer Sun Myung Moon für den Betrieb mindestens einer Waffenfabrik bekannt.
Lisa Pauline Wagner wurde vor 30 Jahren in die Moon-Sekte hineingeboren. Vor 16 Jahren stieg sie aus. Auch sie erinnert sich an Konferenzen: "Da wurden wichtige Leute eingeladen: Studierte oder Prominente. Man hat dann über die großen Probleme in der Welt gesprochen." Wissenschaftlich sei das nicht gewesen, sagt sie. "Eigentlich waren es große Bla-Bla-Veranstaltungen." Wagner galt in der Sekte als "gesegnetes Kind", denn ihre Eltern wurden bei einer Matching-Zeremonie vom Sektengründer persönlich gepaart und heirateten später.
Bei den Massenhochzeiten kommen Frauen und Männer zusammen, die sich nie zuvor gesehen hatten. Der Sektenführer Moon legte fest, wer wen heiraten muss. Seit Moons Tod 2012 übernimmt seine Frau, Hak Ja Han alias "Mutter Moon", diese Aufgabe. Die Bewegung wurde in Deutschland in den 1970er und 80er Jahren groß. Heute gibt es nicht mehr so viele "Moonies", wie sie sich selbst nennen. Aber ihr Glaube ist gefährlich.
Auch bei VICE: Wir haben eine Konferenz für Krypto-Millionäre gecrashed
"Über Homosexualität wurde kaum gesprochen, und wenn, dann nur als Krankheit", erinnert sich die Aussteigerin Lisa Pauline. Und Homophobie ist nicht das Einzige. Dem Glauben nach sind Moonies die besseren Menschen, alle anderen gilt es zu bekämpfen. Moons Anhänger haben den Anspruch, als "bessere Menschen" die ganze Welt zu beherrschen.
Die Berliner Sekteninfo hat kaum noch mit Moonies oder deren Angehören zu tun, sagt ein Vertreter im Gespräch mit VICE. Doch es ist nicht die Zahl der Mitglieder, die sie gefährlich macht, sondern ihr Vorgehen.
Eine Taktik der Moon-Bewegung geht so: Die Mitglieder versuchen, sich mit Studierenden und jungen Menschen anzufreunden. Sie sprechen über Frieden und Familie. Erst nach Monaten sprechen sie die Lehren Moons an. Mit dieser Art der Missionierung ziehen Moonies neue Mitglieder in ihren Bann – ganz sanft und schleichend. "Dieses unehrliche Vorgehen macht die Anhänger Moons gerade so gefährlich", sagt Fabian Maysenhölder, Pfarrer und Autor des Sekten-Podcasts Secta.
Lisa Pauline Wagner beschreibt den Sog der Sekte so: "Wir hatten coole Gottesdienste mit Musik, jungen Menschen, guter Stimmung. So kriegst du das Gefühl, Teil einer Gemeinschaft zu sein, von etwas Großem, etwas Wichtigem."
Zeigt man Studierenden die UPF-Flyer, wissen sie nichts damit anzufangen. "Äh, also, es geht bei der Konferenz heute um Frieden – und dieser Organisation geht es offenbar auch um Frieden", sagt ein Student auf Englisch. Bilder belegen, dass die UPF-Mitglieder auch mit Studierenden sprechen und ihre Broschüren verteilen. Auf Anfrage schreibt das ICD dazu: "Ja, in Berlin haben sie einige Flyer und Publikationen mitgebracht und an die Teilnehmer verteilt."
Die wütende E-Mail
Bei den Studierenden des ICD stößt man oft auf Frust und manchmal auf pure Verzweiflung. "Die Qualität der Lehre war unterirdisch", sagt eine ehemalige Studentin, die 2019 ihren Abschluss machte. Andere bestätigen das. Offenbar ist das schon einige Jahre lang so. In einer Mail von 2017, die VICE vorliegt, beschweren sich Studierende bei der Leitung des Instituts:
"Kurse werden in letzter Minute abgesagt, manchmal gar nachdem sie schon beginnen sollten."
"Es ist 2017 und das ICD ist nicht in der Lage, eine ordentliche IT und WIFI im Gebäude einzurichten."
"Wir schauen in den Kursen zwei Stunden lang YouTube-Videos an. [...] Wir durchsuchen Wikipedia-Artikel an einem akademischen (?) Ort. [...] Es gibt auch keine Plattform, wo wir Dokumente herunterladen können. [...] Stattdessen kopieren wir sie von USB-Stick zu USB-Stick."
Und sie fragen in der E-Mail: "Für viele ist immer noch unklar, was ICD genau ist. Ist es eine NGO, eine Universität, ein Institut, ein Ort, um Steuern zu hinterziehen oder etwas noch Schlimmeres?" Das ICD schreibt zu der Mail: "Natürlich berücksichtigen wir negative Rückmeldungen und versuchen, sie zu verbessern."
Sicher ist: Eine staatliche Hochschule im baden-württembergischen Städtchen Furtwangen unterstützt das ICD.
Hilfe von einer staatlichen Hochschule
Nur aufgrund der Kooperation mit der Hochschule Furtwangen kann das sekten-nahe Institut zwei private Master-Studiengänge anbieten: Internationale Beziehungen und Kulturdiplomatie und Internationale Wirtschaft, Business und Kulturdiplomatie. VICE liegen Modul- und Seminarpläne kürzlich vergangener Semester vor. Beide Studiengänge sind fast identisch. Darin sieht man: Im ersten Semester lehren Menschen, die sonst als Unternehmensberater oder in Botschaften arbeiten. Wissenschaftler lehren kaum. Die Hochschule Furtwangen stört das nicht. Sie schreibt: "Wir begrüßen den Einsatz von Lehrbeauftragten aus der beruflichen Praxis am ICD."
Im zweiten Semester fahren echte Professoren aus dem Süden Deutschlands nach Berlin. Das ICD arbeitet seit 2016 mit der Hochschule Furtwangen zusammen. Die Hochschule gehört dem Land Baden-Württemberg. Ihre Schwerpunkte liegen auf Technik, Medizin und Wirtschaft. Zu Kultur, Politik oder internationalen Beziehungen gibt es dort aber keine Professuren. Weder das ICD noch die Hochschule Furtwangen sehen darin eine Diskrepanz. Die Hochschule verweist auf "mehrere Professuren, die sich explizit mit Themen der Internationalen Beziehungen, internationaler Wirtschaft und Interkulturalität beschäftigen."
Studium voller Ungereimtheiten
Auf offiziellen Plattformen gibt die Hochschule an, dass der Studiengang im Feld Politikwissenschaften angesiedelt sei und in Villingen-Schwenningen studiert wird. Das ist falsch. Denn das Studium findet in Berlin statt. Die Hochschule Furtwangen verweist auf einen Darstellungsfehler der Plattform.
Und noch etwas verwundert: Auf den Zeugnissen steht "Business Administration" als Studienfeld: Betriebswirtschaftslehre. Also doch nicht Politikwissenschaft? Die Hochschule verweist darauf, dass die Masterprogramme Teil des Studienangebots der Fakultät Wirtschaft seien. Außerdem enthielten beide Masterprogramme Aspekte der Internationalen Wirtschaft und der Internationalen Beziehungen. Bei einem Blick ins Modulhandbuch sieht man: Diese Wirtschaftsaspekte beziehen sich auf drei Kurse, die gerade mal 15 Prozent der Gesamtnote ausmachen.
Obwohl das Studium Schrott ist, schafft es niemand, sich zu wehren. Die meisten Studierenden kommen aus dem Ausland. Immer wieder überlegen sie, sich über das ICD zu beschweren, berichten sie. Doch sie wissen nicht, bei wem. Und dann überwiege doch die Angst, in einem fremden Land ohne Abschluss zu sein.
Ein Masterzeugnis bekommen sie. Immerhin. Die Hochschule Furtwangen stellt es aus. Auf den Zeugnissen steht: ACQUIN, ein Institut zur Qualitätssicherung, habe den Studiengang akkreditiert. Auch das ist falsch. Denn ACQUIN hat nicht den Studiengang akkreditiert, sondern die Hochschule. Der Geschäftsführer von ACQUIN, Alexander Rudolph, bestätigt auf Nachfrage: AQUIN hat die Hochschule bis 2019 akkreditiert.
Ihre Studiengänge hat die Hochschule dann selbst akkreditiert, auch die am Berliner ICD. Bis 2024 gilt diese Akkreditierung noch. Doch seit April 2023 akkreditiert sich die Hochschule Furtwangen selbst in einem sogenannten "alternativen Verfahren". Damit ist sie eine der ersten in Deutschland. Das Wissenschaftsministerium in Baden-Württemberg schreibt: "Das Alternative Verfahren stellt keinesfalls ein Schlupfloch dar, sondern spricht für eine sehr gute Qualitätskultur." Doch warum ist der Frust der ICD-Studierenden dann nicht aufgefallen? Das Ministerium verweist auf die Verantwortung der Hochschule. Zu den Sektenverbindungen und der Kritik an der Lehre sei dem Ministerium nichts bekannt, teilt ein Sprecher mit.
Und die Hochschule? Die weiß von den neu-religiösen Gruppen auch nichts. Sie schreibt: "Wir haben keinerlei Anhaltspunkte für einen Einfluss der genannten Gruppen auf unsere Lehre."
Fragwürdige Studienbescheinigungen für Visa-Anträge
Nicht nur die Akkreditierung der Hochschule Furtwangen wirkt zweifelhaft, sondern auch ihre Studienbescheinigungen. Denn solche Urkunden darf sie an ICD-Studierende gar nicht vergeben – laut Landeshochschulgesetz und eigener Prüfungsordnung. Dort steht: Die Studierenden in Berlin nehmen an einer "Externenprüfung" teil. Somit sind sie nie Teil der Hochschule, sondern Externe. Trotzdem stellt die Hochschule den Studierenden am ICD Studienbescheinigungen aus. Sowohl die Hochschule als auch das Wissenschaftsministerium halten das für rechtens.
Die meisten Studierenden brauchen eine Studienbescheinigung, um ein Visum in Deutschland zu bekommen. Ohne Studienbescheinigung, keine Einreise, ja, womöglich nicht einmal ein Termin in der deutschen Botschaft. Eine Studienbescheinigung ist eines der wichtigsten Dokumente, das sie brauchen, um nach Deutschland zu kommen.
Das Trio hinter der Fassade
Das ICD selbst behauptet, 1999 in den USA gegründet worden zu sein. Ob das stimmt, lässt sich nicht überprüfen. Auf der Homepage fanden sich Verweise auf Firmen in den USA, von denen es die meisten laut Firmenregister in Washington DC nie gab. Inzwischen steht nur eine Adresse aus den USA auf der Homepage: 20 W 34th St., New York. Dort steht das Empire State Building.
Seit jeher ist Mark Donfried der Leiter des Instituts. Der gebürtige US-Amerikaner ist Mitte 50 und trägt bei öffentlichen Auftritten stets Anzug. Auf den Gruppenfotos des ICD ist er jener Kopf, der alle anderen überragt. Seine Schwester ist Karen Donfried, die hochrangigste US-amerikanische Diplomatin für Deutschland. Sie ist quasi die Chefin aller US-Botschafter in Europa. Ihr Bruder ist kein echter Diplomat. Auch wenn er sich mit dem ICD offenbar alle Mühe gibt, so zu tun.
Bei der Konferenz im Februar kommt Donfried nach Wagenknechts Vortrag auf die Bühne und stellt ihr harmlose Fragen: "Was ist Ihre Aussage an alle Deutschen? Welche Rolle spielt Kulturdiplomatie im Ukraine-Krieg?" Die meisten Fragen des Publikums werden abgewürgt. Keine Zeit.
Mark Donfried unterrichtet im Masterstudiengang Kurse wie "Internationale Fallbeispiele der angewandten Kulturdiplomatie." Allerdings nicht besonders gut, glaubt man den Aussagen der Studierenden. "Es gab keine Struktur. Wir haben über Dinge geredet, die ihm gerade in den Kopf kamen", berichtet eine ehemalige Studentin. Eine andere Ex-Studentin sagt: "Er ist nicht qualifiziert dafür, solche Kurse zu unterrichten."
Tatsächlich ist Mark Donfried Co-Herausgeber eines Sammelbandes zur Kulturdiplomatie. Fachleute bewerten den Sammelband als mittelmäßig. Eigene Beiträge hat Donfried in dem Buch nicht geschrieben. Abgesehen davon hat er nichts Wissenschaftliches zum Thema Kulturdiplomatie veröffentlicht. Sein höchster akademischer Abschluss ist ein Bachelor.
Neben Donfried ist ein Ehepaar Teil des Führungs-Trios. Demnach agieren die beiden im Hintergrund. Mark Donfried sei das Gesicht für öffentliche Auftritte, berichten Studierende, aber Rosie und Riman Vilnius sollen tatsächlich hinter dem Institut stecken.
Rosies Titel lautet "Head of Communications". Sie erinnert die Studierenden an Abgabetermine und organisiert Konferenzen. "Rosie liebt Geld", sagt eine Studierende im Gespräch mit VICE. Eine andere drückt es so aus: "Rosie wollte jeden Quadratmeter des Gebäudes nutzen, um Geld heraus zu pressen." Und eine ehemalige Konferenzteilnehmerin erinnert sich so an das Event: "Ständig änderte sich der Plan, die Zeiten, die Vorträge. Ich hatte das Gefühl, das ICD will mit der Konferenz nur Geld machen." Das ICD sagt, kurzfristige Änderungen und Absagen kämen nur selten vor, und wenn, dann seien es Fälle höherer Gewalt.
Riman Vilnius halten einige Ehemalige, die mit VICE gesprochen haben, für den echten Leiter des ICD. Er gebe Anweisungen, schüttele Hände und schüchtere mit seinem Auftreten manchmal ein. Einer von ihnen bezeichnet Riman Vilnius als "Gangsterboss". Rimans Name taucht in Verträgen auf. Er ist der Ansprechpartner für Austauschprojekte mit europäischen Hochschulen. Gemeinsam leiten die drei seit fast 25 Jahren das Institut.
Donfrieds Firmengeflecht
Ob es Mark Donfried, Riman und Rosie Vilnius wirklich um Kulturdiplomatie geht, darf man wohl bezweifeln: Das ICD schreibt selbst in einem Lexikon, es gebe "keine feste oder allgemein anerkannte Definition". Kulturdiplomatie lassen sich am besten "als das Mittel beschreiben, mit dem Länder ihre kulturellen und politischen Werte gegenüber dem Rest der Welt fördern." Auf Anfrage von VICE verweist das Institut auf eine zweite, inhaltlich ähnliche Definition, die es selbst festgelegt hat. Wissenschaftliche Quellen nennt es nicht.
Mark Donfried hat auch diverse Nebengeschäfte: Er ist Inhaber mehrerer Hotels und Immobilienverwaltungen in Deutschland. Auf dem Hof des ICD steht im Februar ein Auto, auf dem Werbung für eines seiner Hotels klebt. Liest man die Google-Bewertungen dieser Hotels, bekommt man den Eindruck, sie seien fast verfallen und dienten nur der Fassade. Ein Hotel in der niedersächsischen Provinz beschreiben Google-Nutzer als extrem schmutzig. Ein Gast ist offenbar ganz alleine im Hotel, weil es gar kein Personal gibt. "Gruselig", schreibt er. Die Coronapandemie habe Donfrieds Pläne durchkreuzt, mehrere Hotels aufzubauen, schreibt das ICD.
In Großbritannien hat Donfried auch ein paar Firmen. Einige sind inzwischen aufgelöst. Sie waren an der Adresse der Universal Peace Federation (UPF) registriert, der Tarnorganisation der Moon-Sekte. Ein Adresszusatz verrät, dass sie offenbar die gleichen Räume nutzten. Donfried richtete 2014 eine ICD-Konferenz in den UPF-Räumen in London aus. 2020 sprach er bei einer Gedenkfeier zum Todestag des Sektengründers Sun Myung Moon. Auch 2022 war er Sprecher auf einer UPF-Konferenz in London. Die Verbindung zwischen ihm und der Sekte scheint eng zu sein. Mitglied sei er nach eigener Angabe aber nicht.
Verwicklungen mit der Politik
Trotz dieser Verbindungen gelang es dem ICD, nah an deutschen Bundesministerien zu agieren. Das Institut veröffentlichte Texte auf einem Portal, das vom Bildungsministerium gefördert wird. Das Ministerium schreibt VICE dazu: "Das Institute for Cultural Diplomacy hat die Möglichkeit genutzt, einzelne Veranstaltungshinweise auf dem Portal zu veröffentlichen, wie viele andere Institute und Forschungseinrichtungen auch, die sich mit internationalen Fragen befassen. Das war allerdings zuletzt 2011 der Fall." Das Auswärtige Amt stellte Mark Donfried 2014 als Unterstützer einer Initiative zum deutsch-türkischen Austausch vor. Gegenwärtig bestehe keine Zusammenarbeit, schreibt das Auswärtige Amt. Zu den Fragen nach der Nähe zur Sekte äußern sich die Ministerien nicht.
Die ICD-Website listet zeitweise zwei Deutsche im Beirat des Instituts: der Rüstungslobbyist Dirk Niebel (FDP) und die ehemalige Parlamentspräsidentin Rita Süssmuth (CDU). Süssmuth sagt, sie sei schon lange nicht mehr im Beirat. Niebel gibt an, seine Zusammenarbeit mit dem ICD im Mai beendet zu haben. Er habe dem Beirat ehrenamtlich beigewohnt. "Über die Dauer der Board-Angehörigkeit habe ich mehrfach Reden gehalten und Panels moderiert. Reden und Moderationen wurden selbstverständlich vergütet", schreibt Niebel auf Anfrage. Wie hoch seine Vergütung war, sagt er uns nicht.
Der heutige Landwirtschaftsminister Cem Özdemir saß dort auch von 2009 bis 2010. Damals war er nicht im Bundestag, aber Vorsitzender der Grünen. Özdemir bestätigt auf unsere Anfrage, dass er Redner und Beiratsmitglied beim ICD war. Mark Donfried habe ihn damals angesprochen. Von den Sekten-Kontakten habe er nichts gewusst. "Nach dem Hinweis einer Gewerkschaft zu zweifelhaften Arbeitsbedingungen beim ICD, hat Herr Özdemir sein Engagement beendet", schreibt seine Sprecherin.
Nach außen schmückt sich das ICD mit Namen von Politikern. Es versucht offenbar, seriös zu wirken, ein Ort für Austausch zu sein und für internationale Politik. Tatsächlich bietet es ein Netzwerk für Schurken und Sekten. Politiker und Studierende helfen, den Schein der Seriosität aufrecht zu erhalten – oft ohne es zu wissen.
Etwas für ihre Zukunft lernen die wenigsten an dem Berliner Institut. Eine Konferenzteilnehmerin von 2016 erinnert sich: "Ich bin nach der Konferenz nach Hause geflogen und habe mich gefragt, was Kulturdiplomatie eigentlich ist." Dafür zahlte sie damals 345 Euro. Inzwischen kostet die Teilnahme fast 500 Euro.
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Author: Jason Williams
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