Faktencheck Was an Prechts Aussagen zu Arbeitsbedingungen von Juden dran ist
Bonn · Im Podcast „Lanz & Precht“ behauptet Richard David Precht, dass es jüdische Berufs- und Arbeitsverbote gebe. Ein Faktencheck soll zeigen, was da wirklich dran ist.
Wieder mal Wirbel um Richard David Precht. Für Empörung sorgte sein Satz im Podcast „Lanz & Precht“, orthodoxen Juden sei untersagt, zu arbeiten - „außer ein paar Dingen wie Diamantenhandel und Finanzgeschäfte“. Was ist dran?
Juden dürfen gar nicht arbeiten, falls doch, dann nur in bestimmten Berufen - solche und andere Falschinformationen werden immer wieder in Umlauf gebracht. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) mit einem Faktencheck.
Inwiefern ist Juden das Arbeiten verboten?
Religiös bezieht sich die Vorschrift nicht auf bestimmte Berufe. Die können Jüdinnen und Juden frei wählen. Allerdings ist die Erwerbsarbeit als solche zeitlich eingeschränkt. Das hängt vor allem mit dem allgemeinen Ruhegebot am Sabbat zusammen. Auch an anderen jüdischen Feiertagen ist Arbeiten generell verboten - wie auch das Reisen.
Gibt es Ausnahmen?
Ja, vor allem im Kontext des Armeedienstes und in Notlagen. Denn die Rettung von Leben hat Priorität. Je nach religiöser Strömung werden die bestehenden Verbote unterschiedlich aufgefasst. So ist es in einer strengen Auslegung auch verboten, am Sabbat elektrische Geräte zu betätigen, etwas zu kaufen und zu schreiben. Außerhalb des Hauses sollten keine Gegenstände getragen werden.
Es heißt oft, da Christen im Mittelalter der Geldhandel nach dem Kirchenrecht verboten gewesen sei, hätten sich Juden auf dieses Gebiet spezialisiert. Stimmt das?
Das Zinsverbot steht schon in Bibel und Koran. Allerdings wurde es im Laufe der Geschichte verschieden ausgelegt. Papst Alexander III. gestattete den Juden 1179 ausdrücklich, gegen Zinsen Geld verleihen zu dürfen. Für kurze Zeit waren sie tatsächlich die einzigen, die solche Geschäfte in Europa nach dem Kirchenrecht tätigen durften. Klöster, Bischöfe, Adelige, Städte und Bürger entwickelten jedoch Strategien, das Zinsverbot zu umgehen, wie die in München lehrende Judaistin Eva Haverkamp-Rott herausgefunden hat. Somit blieben sie auch selbst im Geldhandel aktiv.
Waren die Juden im Mittelalter so reich, dass sie nur an Kaiser und Könige Geld verliehen?
Nein. Zu den Kunden der jüdischen Geldverleiher gehörten im 12. Jahrhundert Erzbischöfe, Bischöfe, Abte, Priester, Könige, Fürsten, Grafen, Landadel und Ritter. Im 13. und 14. Jahrhundert nahm der Anteil von Bürgern und Bauern deutlich zu, so Haverkamp-Rott. Im 15. Jahrhundert gehörten vor allem die untere Mittel- und die Unterschicht zu den Kunden, also Handwerker und Bauern.
Wurden nicht zugleich Juden bestimmte Berufe verboten?
Die christliche Obrigkeit versuchte, Juden im Spätmittelalter von einigen Berufen fernzuhalten. Dies geschah unter anderem durch den Zunftzwang. In Zünfte wurden nur Christen aufgenommen. Aber das hieß nicht, dass es keine jüdischen Handwerker gab. Haverkamp-Rott hat unter anderem Nachweise für Kürschner, Sattler, Weber, Schneider, Goldschmiede, Würfelmacher, Maler, Brauer, Müller, Drechsler, Buchbinder und Maurer gefunden. Allerdings konnten diese damals ihre Waren ungestört nur innerhalb der jüdischen Gemeinschaft verkaufen. Auch in der Landwirtschaft stießen Juden auf Probleme, da sie keine Lehen nehmen durften. Dafür war ein christlicher Eid nötig.
Was weiß man noch über Geschäfte zwischen Juden und Christen?
Juden produzierten Waren sowohl für die jüdische Gemeinde wie auch für Christen. Die jüdische Gemeinde in Worms war überregional für ihren koscheren Wein bekannt. Seit dem 11. Jahrhundert war der jüdischen Gemeinde der Handel auch mit nicht-koscherem Wein gestattet. Daher gab es zahlreiche jüdische Familien, die Wein anbauten und mit Wein handelten. Tatsächlich stellten sie sogar Messwein für die katholische Kirche her.
Wie ging es in der Neuzeit weiter?
Mit den Zunftgesetzen war es am Ausgang des 18. Jahrhunderts vorbei. Nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft begann die rechtliche Emanzipation der Juden, die im Deutschen Reich in der Verfassung 1871 endgültig verankert wurde.
Segen bleibt Segen
- Katholische Kirche
Author: Alejandra White
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